Startort zu dieser rund 400 Kilometer langen Tour ist Cottbus. Die Stadt ist ein Juwel. Weit von den touristischen Hauptrouten entfernt, führt sie fast schon ein Mauerblümchendasein. Dabei zieht sie einen mit ihrem hübschen Altmarkt sofort in den Bann. Die Giebelhäuser im sächsischen Barock sind liebevoll restauriert. Schmuckstück ist die 1573 eröffnete Löwen-Apotheke, die den Besucher in die wundersame Welt der mittelalterlichen Pillendreher entführt. Weiterhin sehenswert: das Jugendstiltheater am Schillerplatz und die etwas außerhalb stehende Spreewehr-Mühle. Ein Ausflug ganz anderer Art führt östlich von Cottbus nach Dissenschen. Dort wartet ein Aussichtspunkt, von dem man die Kraterlandschaft des Braunkohle-Tagebaus überblicken kann. Danach weiß man die Natur umso mehr zu schätzen. Auf kleinen und kleinsten Sträßchen schlängeln wir uns an der Spremberger Talsperre vorbei. Graustein, Schleife, Weißwasser. Linker Hand liegt Bad Muskau mit dem wohl einzigen Landschaftspark der Welt, durch den eine Staatsgrenze verläuft. Die taucht nämlich jetzt auf und wird von der Neiße markiert. Hüben Deutschland, drüben Polen. Eine schmale Straße begleitet Fluss und Grenze in Sichtweite. Neue Fahrbahndecke, lang gezogene Kurven, gepflegte Schräglagen, kaum Verkehr. Hier ist die Einsamkeit zu Hause. Hin und wieder huscht ein Weiler vorbei – das wars. Eine herrliche Fahrerei. Der Geist hat Auslauf und wird erst in Zentendorf wieder gefordert. Was will uns diese Skulptur am Straßenrand sagen? Verzweifelt reckt sie ihre Hände gegen den Himmel. Ihr Problem erfahren wir nicht, wohl aber den Weg zur Kulturinsel Einsiedel mit Café und rustikaler Feuerschenke. In Görlitz könnte man jeden Kostümfilm drehen. Beinahe unbeschädigt haben seine mittelalterlichen Häuser die Jahrhunderte überlebt. Wir holpern durch enge Pflastergassen und bestaunen dieses hübsche Konglomerat aus Gotik, Renaissance, Barock und Gründerzeit. Es gibt eine Unmenge zu sehen: die berühmte Rathaustreppe mit einer Justitia ohne Augenbinde, die Laubengänge und ihre Arkaden, die Sonnenuhr von 1550 an der Rats-Apotheke. Aus der Altstadt heraus gelangt man über Kaisertrutz, Obermarkt, Brüderstraße, Untermarkt und Neißestraße fast automatisch auf die B 99 in Richtung Zittau. Sie hält sich immer in Sichtweite des Grenzflusses und gibt motorradfahrerisch nicht allzu viel her. Ordentliche Fahrbahn, weite Bögen. Und schöne Aussichten hinüber nach Polen. Harte Kontraste säumen den Weg. Auf die hässlichen grauen Kühltürme eines Kraftwerkes folgen die prächtigen Mauern des Klosters Marienthal. Seit 1234 betreibt es der Orden der Zisterzienserinnen. Dass das Kloster überhaupt noch steht, ist dem Mut einer Äbtissin zu verdanken: Als die SS bei Kriegsende Marienthal sprengen wollte, weigerte sich die mutige Frau, das Kloster zu verlassen. Und rettete es so vor der Zerstörung. Die malerisch zwischen den steil ansteigenden Höhen östlich und westlich der Neiße gelegene Anlage verdient durchaus auch einen längeren Aufenthalt. In der historischen Klosterschenke und im Café kann man gemütlich einkehren, die Bäckerei verkauft leckere Süßigkeiten, die klösterliche Gärtnerei Öko-Gemüse. Knapp 20 Kilometer weiter liegt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien das Städtchen Zittau. Sein Rathaus, der Palazzo Grande, verleiht dem großen Marktplatz einen Hauch von italienischem Flair. Bei „Quarkkollche mit Äppelpoabs“ (Quarkkeulchen mit Apfelmus) lässt es sich hier phantastisch im Freien sitzen. Wer genügend Luft hat, kann die 266 Stufen von St. Johannis hinaufsteigen und mit dem Türmer, Herrn Reinhart Rokitte, einen Plausch halten. Der trompetet zweimal am Tag vom Kirchturm herab, und die Glocken von sieben Kirchen antworten ihm. Über Lückendorf fahren wir ins Zittauer Gebirge hinein. Seine höchste Erhebung, der hinter dem gleichnamigen Dorf aufragende Kegelberg Oybin, ist 513 Meter hoch. Ganz ordentlich. Und so machen auch die 20 Kilometer durchs Zittauer Gebirge eine Menge Spaß. Viele Kurven, griffiger Asphalt, wenig Verkehr. Den Oybin kann man übrigens zu Fuß besteigen und wird oben von einer tollen Aussicht belohnt. In Großschönau lohnt sich ein Blick auf die über 80 Exponate des Motorradveteranen- und Technik-Museums. Danach geht es auf schmalen Nebensträßchen über Oberoderwitz mit seinen drei Windmühlen nach Obercunnersdorf. Der kleine Ort schlängelt sich kilometerlang am Dorfbach entlang und gilt als eines der besterhaltenen Sorbendörfer der Lausitz. Kurz vor Löbau blinkt aus der Ferne der König-Friedrich-August-Turm aus dem Jahr 1854. Das 28 Meter hohe Meisterwerk aus 70 Tonnen Gusseisen ist das einzige seiner Art in Europa. Also hinfahren. Turm und Aussicht sind beeindruckend. Ein Zeitsprung ins Mittelalter wartet in Bautzen. Türme, Basteien, Tore und Kirchen prägen das Bild der alten Festungsstadt. Steingewordene Geschichte. Kaum etwas wurde im Laufe der Jahrhunderte zerstört. Wahrzeichen Bautzens ist die Alte Wasserkunst. 1496 erbaut, hob dieses Pumpwerk das Wasser der Spree 38 Meter hoch auf Stadtniveau. Dort wurde es in die Röhrbrunnen geleitet, die damals eine sehr moderne Form der Wasserversorgung darstellten. Am nördlichen Stadtrand liegt das berüchtigte Gefängnis „Gelbes Elend“. Dort buchteten zuerst die Nazis und dann die Kommunisten ihre Gegner ein. Nach einem Tässchen im Sorbischen Café am Postplatz und einem Besuch im Jurassic-Parc in Kleinwelka nehmen wir Kurs auf Bischofswerda und Kamenz. Breiter, gut ausgebauter Asphalt. Das ändert sich jedoch, wenn die Route in Kamenz rechts abzweigt und die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft durchquert. Schmal und kurvenreich schlängelt sich die Straße zwischen Seen, Mooren und Heideflächen hindurch in Richtung Hoyerswerda. Wasser wartet auch in Senftenberg, dem Endpunkt der Tour. Dort schuf die Rekultivierung der ausgebaggerten Braunkohlegruben ein Paradies für Segler, Surfer und Angler.
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